Adventskalender
14. Dezember – Hauptstr. 16
Warten kann nicht jeder: nicht der gesättigte, zufriedene und nicht der respektlose. Warten können nur Menschen, die eine Unruhe mit sich herumtragen, und Menschen, die zu dem Größten in der Welt in Ehrfurcht aufblicken. So könnte Advent nur der feiern, dessen Seele ihm keine Ruhe läßt, der sich arm und unvollkommen weiß und der etwas ahnt von der Größe dessen, was da kommen soll, vor dem es nur gilt, sich in demütiger Scheu zu beugen, wartend bis er sich zu uns neigt – der Heilige selbst, Gott im Kind in der Krippe. Gott kommt, der Herr Jesus kommt, Weihnachten kommt, Freu dich o Christenheit! … Wenn die alte Christenheit vom Wiederkommen des Herrn Jesus redete, so dachte sie zunächst immer
an einen großen Gerichtstag. Und so unweihnachtlich uns dieser Gedanke erscheinen mag, er ist urchristlich und überaus ernst zu nehmen. …Das Kommen Gottes ist wahrhaftig nicht
nur Freudenbotschaft, sondern zunächst eine Schreckensnachricht für jeden der ein Gewissen hat. Und erst, wenn wir den Schrecken der Sache empfunden haben, können wir die unvergleichliche Wohltat erkennen. Gott kommt, mitten hinein in das Böse, in den Tod und richtet das Böse in uns und in der Welt. Und indem er es richtet, liebt er uns, reinigt er uns, heiligt er uns, kommt er zu uns mit seiner Gnade und Liebe.
Er macht uns froh, wie nur Kinder froh sein können.
Quelle:
Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931, DBW Band 10, Seite 529, 530, 531, 532