Sehnsucht nach dem fernen Ich
Künstlerinnen zeigen im Atelierhof Werenzhain imaginäre und reale Reisen
Die große Sommerausstellung 2012 im Atelierhof Werenzhain präsentiert Arbeiten von 21 Künstlerinnen. ,,Die Ferne ist, wo ich nicht bin" lautet der beziehungsreiche Titel der Schau in Anlehnung an einen Song der Rockgruppe ,,Silly".
Reisen, Sehnsucht nach der Ferne und dem Anderssein, Eintauchen ins Ich, Aufbruch, Ankommen und Umkehr sind Themen der Bilder, Installationen, Objektgestaltungen, Skulpturen und Fotoarbeiten der neuen Ausstellung.
Schnell wird dem Betrachter beim Rundgang durch den Saal des ehemaligen Vierseitenhofes, die beiden großen Ausstellungsräume, durch Schuppen und Scheune trotz aller individueller Unterschiedlichkeit in Gegenstand und künstlerischem Ausdruck wie Technik klar: Hier werden die großen Themen der Romantik, Reisen und Sehnsucht, damals auch von Schriftstellerinnen wie Karoline von Günderode und Annette von Droste Hülshoff lyrisch beschrieben, mit den Mitteln der darstellenden Kunst in das Beziehungsgeflecht unserer Zeit adaptiert.
Kunstwissenschaftlerin Dr. Brigitte Hammer hob in ihrer Laudatio die Breite der individuellen Ausdrucksmöglichkeiten hervor. Gleichzeitig zeigte sie sich beeindruckt vom engagierten ,,Netzwerk wirksamer Frauen" des Atelierhofvereins. Unter Regie von Leiterin Stöber und den beiden Kuratorinnen Luisa Landsberg und Traudel Bührmann sei eine wunderbare Ausstellung gelungen. Sie haben einen gut begehbaren ,,Reiseweg" durch die Gesamtexposition gestaltet.
Dem Geschmack und dem Kunstverständnis des Betrachters bleibt es vorbehalten, seine Highlights der Ausstellung herauszufinden. Da fällt in einem Ausstellungsraum der Blick auf Linda Scheckels ironisch großformatig geschichtete ,,Odysseus Fahrt übers Rührei-Meer", verlockt Doris Kollmanns ,,Venus-Express" zum Einsteigen, bietet ihr ,,Forget about it" eine Strandlandschaft am Meer in launiger Anspielung auf Caspar David Friedrichs ,,Der Mönch und das Meer" und verführt Maysun Kellow zum Blick ,,Hinter dem Horizont".
Als gelungene Reflexion einer Reise ins eigene Ich darf ihr expressionistisch anmutendes Kopfporträt ,,Das ferne Ich" als gespaltene Persönlichkeit betrachtet werden. Staunen kann der Betrachter vor Ursula Bierthers in warmen Acryl-Tönen gemalten meditativen Reisen zur Erkenntnis unter Einbeziehung buddhistischer Texte. Traude Bührmann erzeugt mit Fotodrucken auf Aluminium eine kühle und gleichzeitig anziehende Wirkung der Stadt Berlin bei Nacht, während Luisa Landsberg mit ihrer Miniatur-Installation den Bergwanderer in einer nicht fassbaren Weite einem imaginären Ziel zustreben lässt. Im Gegensatz dazu will Roswitha Baumeister mit ihrer großen Turban-Installation im Saal kulturelle Vielfältigkeit vermitteln und Gudrun Fischer-Bomert im Stall mit Boot und Wasser-Installation den Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle anmahnen.
Eine heitere Bildergeschichte erzählt Iris Stöber mit ihrer Fotoserie über das Eigenleben von Piktogrammen und Rena Lux setzt ironisch die ,,Prinzessin auf die Spule".
Die Ausstellung biete, gerade wegen ihrer interessanten Unterschiedlichkeit, vielfältige Anregungen, zeigte sich auch Stephan Creutzburg von der Nadler-Galerie Elsterwerda angetan.
,,Die Ferne ist, wo ich nicht bin" ist bis zum 26. August im Atelierhof Werenzhain zu sehen. Geöffnet ist sonntags von 14 bis 18 Uhr, sonst nach telefonischer Absprache (035322327).
Von Jürgen Weser, erschienen in der Lausitzer Rundschau am 05.07.2012